Kill your Darlings

Die Quelle ist nicht ganz klar. Gut möglich, dass der Schriftsteller William Faulkner die Schreibregel “Kill your Darlings” das erste Mal erwähnte. Sie besagt: Egal, wie gut ein bestimmter Satz, Abschnitt oder eine Szene ist: Trenne Dich davon, wenn es für den Text insgesamt nicht gut ist.

Auf uns umgemünzt könnte man sagen: Egal, wie toll du dein eigenes Produkt findest - wenn es der Markt nicht will, orientiere dich neu.

Wie unter Wir sind the Raven and the Witch geschrieben: Wir waren absolute Fans von unseren ursprünglichen Lederbüchern. Denjenigen ohne Punzierung und Kolorierung. Und ehrlich gesagt, kamen sie auch bei fast jeder und jedem, der eines in die Hand bekam, gut an: “Super schön, tolles Leder und erstklassiges Papier, sehr cool!”. Nützt nur nichts, wenn es dann doch niemand kauft.

Etwa eineinhalb Jahre lang versuchten wir unseren Kopf gegen den Markt durchzusetzen. Bis auf ein paar Loyalitätskäufe von Freunden, Verwandten und Bekannten hat der Markt gewonnen. Und wir uns umorientiert - zumindest grösstenteils.

Die einen lernen erst schwimmen, die anderen hüpfen schon mal ins Wasser.

Abgesehen davon, dass es besser gewesen wäre, den Markt erst einmal auszuloten, haben wir von Anfang an Vollgas gegeben. Das Ganze langsam angehen lassen? Sicher nicht!

Bei Leder Louis in Hombrechtikon haben wir uns mehr als einmal ausgetobt wie Kinder im Süssigkeitenladen. Gefühlt alles rund ums Leder, was irgendwie toll aussah, haben wir uns zugelegt. Und es sah vieles toll aus: Das Mondmesser und andere Schneidwerkzeuge, Beschläge, Nieten, Ösen, Hämmer, herzige Miniambosse und weiss der Teufel, was alles noch. Irgendwie würden wir die Dinge dann schon brauchen.

Nun ja: Ein schöner Teil davon bereichert nach wie vor unsere Werkstatt, wenn auch vor allem dekorativ. Zum Glück sind sie langlebig und so kommt ihre Zeit vielleicht doch noch.

Aus dem Vollen haben wir auch rund ums Administrative geschöpft. Die freiwillige Unterstellung unter die Mehrwertsteuer war ebenso unnötig, wie das Engagieren eines Buchhalters, weil es ja unbedingt die doppelte Buchhaltung sein musste statt einer einfachen. Zum besseren Verständnis: Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als CHF 500’000 dürfen eine einfache Buchhaltung führen. Eine Exceltabelle mit Ein- und Ausgaben befüllen und gut ist.

Den Online-Shop, den wir aus dem Boden gestampft haben, hätten wir uns aus heutiger Sicht ebenfalls sparen können. Zwar rankten wir bei Google meist im oberen Teil auf der ersten Seite der Suchresultate. Die Bestellungen von Unbekannten lassen sich jedoch an einer Hand abzählen.

Aber weisst du was: Trotz, oder besser gerade wegen aller Naivität mit der wir gestartet sind, war die Startphase eine erinnerungswürdige Zeit. Ob wir es heute anders machen würden? Einen Teil mit Bestimmtheit. Wenn es um Lederwerkzeuge und ähnliches geht, sind wir allerdings noch immer herausgefordert.